Väterberatung

Vater werden – Vater sein – Vater bleiben Die größte Veränderung im Leben eines Mannes ist es Vater zu werden.

Für die Fragen und Themen, die hier entstehen, bieten wir Beratung an: 

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Selbstfürsorge - Warum es für Männer so wichtig ist, sich um sich selbst zu kümmern

Selbstfürsorge

Warum es für Männer so wichtig ist, sich um sich selbst zu kümmern

„Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss“ – diese Überzeugung führt zu einem wenig genussreichen, fremdbestimmten und vor allem kurzen Männerleben.

Corona-Erkrankungen sind täglich in den Schlagzeilen. Und auch die haben etwas mit Selbstfürsorge zu tun. Denn nur selten wird darauf aufmerksam gemacht, dass es hier einen großen Unterschied zwischen Frauen und Männern gibt. Zwar sind mit 48 Prozent etwa gleich viele Infizierte weiblich. Aber bei der Todesrate liegen Männer klar vorn: Etwa zwei Drittel der Verstorbenen sind männlichen Geschlechts, so eine Untersuchung der Stanford University.

Ist das frühere Sterben der Männer also genetisch bedingt? In Bezug auf Infektionskrankheiten scheint das der Fall zu sein. Denn das weibliche Geschlechtshormon Östrogen stimuliert das Immunsystem, das männliche Hormon Testosteron hingegen unterdrückt es. Daher können Frauen einen umfassenderen Impfschutz aufbauen und Infektionskrankheiten somit leichter bekämpfen.

Warum Männer früher sterben

Damit lässt sich aber die geringere Lebenserwartung von Männern nicht erklären. Im Jahr 2019 geborene Frauen haben laut Statistischem Bundesamt eine Lebenserwartung von über 83 Jahren, Männer hingegen von gut 78 Jahren. Der Grund: Für mehr als 80 Prozent aller vorzeitigen Todesfälle in Deutschland sind nicht-übertragbare Krankheiten verantwortlich. Also eben gerade keine Infektionskrankheiten.

Die häufigsten Todesursachen bei Männern 2019 waren die krankhafte Veränderung der Herzkranzgefäße (8,7 %), Lungen- und Bronchialkrebs (6,6 %), sowie Herzinfarkt (6,3 %). All diese Krankheiten lassen sich nicht übertragen. Der Frauenanteil lag entsprechend niedriger: Bei Herzinfarkt fast zwei Prozentpunkte, bei Lungenkrebs über drei, bei der Veränderung der Herzkranzgefäße knapp einen Prozentpunkt.

Arbeitsbedingungen und Arbeitsunfälle

Bis ins erste Drittel des 19. Jahrhundert hatten Männer eine durchschnittlich um ein Jahr höhere Lebenserwartung. Das lag vor allem an der hohen Müttersterblichkeit im Kindbett. Mit der Industrialisierung haben sich jedoch die Arbeitsbedingungen geändert: Arbeits- und Wohnort lagen oft weit voneinander entfernt, Arbeitsunfälle und gesundheitsschädliche Bedingungen waren an der Tagesordnung. Vielen heute noch bekannt sind die tödlichen Unfälle im Bergbau.

Mit dem Aufkommen der Dienstleistungsgesellschaft sind die schweren und tödlichen Arbeitsunfälle stark zurückgegangen. 2019 wurden von der Gesetzlichen Unfallversicherung über 500 Arbeitsunfälle mit Todesfolge registriert. Damit hat sich die Zahl gegenüber 1993 um 70 Prozent verringert und weniger als einer von Hunderttausend Erwerbstätigen wird Opfer eines tödlichen Unfalls. Vor 20 Jahren lag diese Quote noch bei zwei Personen. Auch hier gibt es hohe Geschlechtsunterschiede: Über 95 Prozent der tödlich Verunglückten sind Männer.

Denn die Arbeitsbedingungen sind für sie in bestimmten Branchen immer noch mit hohen Gesundheitsrisiken verbunden. Arbeiten unter Lärm, Heben schwerer Lasten, Umgang mit gefährlichen Stoffen und Strahlung, Arbeiten unter Zwangshaltungen und das Einatmen von Gasen, Rauch und Dämpfen – dem sind Männer fast doppelt so häufig ausgesetzt wie Frauen, so das Robert Koch-Institut in seinem Bericht zur gesundheitlichen Lage der Männer 2014.

Der harte Kerl – immer noch das herrschende Männerbild

Männer haben das Bild des harten Kerls geschaffen, des Mannes, der in seiner Arbeit aufgeht. Und nach diesem Bild beurteilen sie sich selbst und werden von anderen beurteilt. Von ihren Eltern, von Freunden und Bekannten, von den Gleichaltrigen, mit denen sie aufgewachsen sind. Passend dazu auch von ihren Partnerinnen. Denn die sind mit den gleichen Bildern groß geworden. Das Selbstbild und das Bild, das von außen an Männer herangetragen wird, bestätigt sich so immer wieder – und wird an die Kinder weitergegeben. Selbst, wenn es schädlich oder gar tödlich ist.

Durch diese Reduzierung auf ihre Arbeitskraft haben Männer ein funktionales Verhältnis zu ihrem Körper entwickelt. Sie missachten Warnsignale und gehen nur selten zu Früherkennungsuntersuchungen. Ein Arztbesuch ist für einen Mann wie das Warten einer Maschine. Die Erwartung ist, der Arzt macht mich wieder ganz und dann funktioniere ich genauso gut wie vorher. Frauen sind seit der Pubertät an Besuche bei ihrer Gynäkologin gewöhnt, ebenso an Vorsorgemaßnahmen. Für Männer ist nach der letzten J-Untersuchung mit 15 Jahren nichts weiter vorgesehen. Früherkennung findet für sie erst wieder jenseits der 40 statt. Weshalb auch nur gut 80 Prozent der Männer einmal im Jahr zum Arzt gehen, aber über 90 Prozent der Frauen.

Männliche und weibliche Lebenswelten

Der Mann sorgt für Geld, ermöglicht Bildung, er ist der Familienerhalter. Die Frau ist für das Haus, den Haushalt, die Kinder da, sie ist die Familiengestalterin. Dass dieses Muster noch grundsätzlich in unseren Köpfen steckt, wird in der Fixierung der Männer auf Erwerbsarbeit deutlich.

Denn Männer tun, was getan werden muss. Und das heißt, Forderungen zu erfüllen, Anforderungen zu genügen. Die werden aber von außen an sie herangetragen, vom Arbeitgeber, der Schwiegermutter, der Ehefrau, den Kindern. Oder Männer nehmen sie vermeintlich vorweg, stellen sich, ihr Geld, ihre Arbeitskraft zur Verfügung.

Für Selbstfürsorge, kümmern um sich selbst, ist in diesem Bild kaum Platz. „Was möchte ich tun?“ ist eine Frage, auf die Männer von sich aus oft gar nicht kommen. Das wird weder in der Familie, noch in der Schule gelehrt. Und zum Bild des coolen, starken oder harten Mannes passt es eben nicht, über Gefühle zu reden, sich morgens nach dem Duschen einzucremen oder zur Ärztin zu gehen, wenn ein Unwohlsein im Bauch verspürt wird.

Bewältigungsstrategien: Rauchen

Dann greift ein Mann lieber zu den klassischen Bewältigungsstrategien: Rauchen, Saufen, Grillen. Laut Bundesgesundheitsministerium rauchen in Deutschland 27 Prozent der Männer und 21 Prozent der Frauen. Insgesamt sterben jährlich etwa 120 000 Menschen an den Folgen des Qualmens. Dass Lungen- und Bronchialkrebs mit dem Rauchen zusammenhängen, ist längst erwiesen. Und der gehört zu den häufigsten Todesursachen von Männern. Die Erasmus-Universitätsklinik in Rotterdam hat 2018 errechnet, dass Männer durch Rauchen knapp sieben Jahre an Lebenserwartung einbüßen.

Alkohol

Zur kleinen Stärkung zwischendurch oder zur Feier des Feierabends gehört ein Bierchen einfach dazu. Für einen Mann. Allerdings: Schon 140 Gramm reiner Alkohol pro Woche gefährden die Gesundheit. Macht etwa 3,5 Liter Bier. Oder zwei Liter Wein. Pro Woche! Über 75 000 Todesfälle sind jährlich in Deutschland auf Alkohol zurückzuführen. Für Männer verkürzt er die Lebenserwartung um etwa drei Jahre.

Bewegung

Dauerndes Sitzen, vor der Glotze oder auf dem Bürostuhl, führt zu Muskel- und Skeletterkrankungen. Dadurch wird die Durchblutung eingeschränkt, wodurch das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen steigt. Und die sind für Männer die wesentliche Todesursache. Kostet etwa zwei Jahre Lebenserwartung. Eng damit zusammen hängt der Bewegungsmangel. Regelmäßiges Training beugt Herzkrankheiten vor und senkt das Risiko eines Schlaganfalls.

Männer sind in jungen Jahren noch ziemlich sportlich. Fast 60 Prozent der 18- bis 24-Jährigen gegenüber gut 48 Prozent der gleichaltrigen Frauen joggen, kicken, radeln oder boxen. Allerdings greift auch hier das funktionale Männerbild. Jungen posen. Sie gehen ins Fitnessstudio, um Muskeln aufzubauen und einem bestimmten Männerbild zu entsprechen. Mit zunehmendem Alter nimmt die körperliche Aktivität ab. Das hat mit unterschiedlichen Lebensphasen zu tun. Wer nach zehn Stunden Arbeit inklusive Fahrtzeit nach Hause kommt, will sich erst mal um Frau und Kinder kümmern. Das wird von jungen Vätern heutzutage ja auch verlangt. Mit der fatalen Folge, dass auch in Hinsicht auf Bewegung Selbstfürsorge und Gesundheit auf der Strecke bleiben.

Einsamkeit kostet Lebenszeit

Soziale Isolation verkürzt die Lebenszeit. Und Männer haben oft keine Freunde. Kumpel, Kollegen, Klassenkameraden, ja. Aber sonst? Entsprechend ist die Suizidrate bei Männern enorm. Laut Statistischem Bundesamt nahmen sich 2018 über 25 Personen pro Tag das Leben, 76 Prozent waren Männer. Die meisten waren über 50.

Sind Männer also selbst schuld, wenn sie früher sterben? Nein. Arbeitsorganisation, Alltagsorganisation, gesellschaftliche Werte kann der Einzelne nicht selbst bestimmen. Jedoch – man kann etwas tun: Junge Väter gehen zu über 35 Prozent in Elternzeit. Hier lernen sie, was es heißt fürsorglich zu sein. Sie wollen mit ihren Kindern Zeit verbringen. Das ist ihnen wichtiger als Arbeit. Sie lernen, selbst Spaß am Leben zu haben, am Spielen, am Bauen, am Singen, am Vorlesen. Sie lernen, sich selbstvergessen hinzugeben, entdecken den Flow wieder. Sie lernen, sich und ihre Bedürfnisse zu spüren – und sie ernst zu nehmen.

Zeit für mich

Was kann ich also tun, um mich besser um mich selbst zu kümmern, um auch meine Lebensqualität zu verbessern? Grundsätzlich: Mir Zeit für mich nehmen. Und die auch in meinen Tages- und Lebensplan einbauen. Der Tagesplan sollte allerdings unbedingt mit der Partnerin besprochen werden, sonst droht Ungemach von dieser Seite. Denn selbstverständlich stecken auch Frauen in der Stressfalle, sind auch sie insbesondere in der frühen Familienphase hoch belastet.

Wie stehen Sie morgens auf? Der Wecker klingelt, im Schnelldurchgang die Kaffeemaschine angeworfen, unter die Dusche, Kind angezogen, Brot geschmiert, Schluck Kaffee und ab zu Kita und Arbeit? Halt, Küsschen für Frauchen nicht vergessen! Das ist Stress pur. Eine halbe Stunde früher aufstehen, in Ruhe duschen und frühstücken, vielleicht sogar ein paar sportliche Übungen machen – klingt das gut? Oder nach dem Rasieren sogar den ganzen Körper einmal eincremen. Es gibt übrigens auch hier Artikel mit etwas herberen „Herrendüften“ oder gänzlich ohne Aromastoffe.

Ja, wie soll ich das denn machen? Das ist die typische Konterfrage. Hallo, es geht um Ihr Leben! Nicht darum, Ansprüchen gerecht zu werden, auch wenn sie noch so berechtigt scheinen, auch wenn die Frau noch so meckert. Erst einmal geht es darum, Ihre Wünsche zu artikulieren, Ihre Bedürfnisse für sich selbst anzuerkennen und auszusprechen. Wie deren Erfüllung in den Tages- oder Wochenplan einzubauen sind, das ist der nächste Schritt. Und selbstverständlich wird die Frau sagen „ich aber auch“. Um so besser! Denn was sie sich gönnt, kann sie Ihnen schlecht verwehren.

So kommen Sie in ein Gespräch über Ihre Beziehung. Über das, was Sie außer Kindererziehung noch voneinander und miteinander wollen. Auch nicht schlecht. Und sie werden für Ihre Partnerin wieder attraktiver. Denn Sie sind ausgeglichener, wenn Sie etwas für sich tun. Freundlicher. Haben die Chance, auch Ihrer Liebsten gegenüber wieder zugewandter zu sein. Und das sollte Ihnen etwas wert sein! Schließlich trennen sich sehr viele Paare, bevor die Kinder drei Jahre alt sind.

Runterkommen

Gestresst nach Hause hetzen, die Ampel gerade noch bei Hellorange nehmen, Auto abstellen, Jacke ausziehen, sofort kommen die Kinder, Küsschen für Frauchen, „hast du hieran gedacht, hast du das gemacht, kannst du mal eben, ich muss noch...“ Der Stress nimmt auch am Feierabend kein Ende. Auch dieser Übergang sollte mit der Frau besprochen werden. Denn hier gilt genauso: Was entzerrt, entstresst auch. Und das kommt allen zu Gute.

Die klassischen Mittel gegen Stress: Bewegung, Natur, Kommunikation. Spazierengehen im Park, im Wald, an den Wiesen, am Fluss. Oder sogar joggen. Klappt vielleicht auch mit dem Kinderwagen. Insbesondere, wenn der Stresspegel so steigt, dass Schreien und Brüllen oder gar Schläge drohen, ist unbedingt die Bremse zu ziehen. Rauszugehen. Und zu schauen, was ist der Sport, der mir Spaß macht? Allein oder mit anderen?  Wie oft? Und kann ich vielleicht die Ankunft zu Hause 15 Minuten verschieben, tief durchatmen, ein paar Schritte gehen, die Arbeit im Kopf nach hinten schieben, spüren, dass ich mich auf Frau und Kinder freue? Die sind doch für mich das Wichtigste auf der Welt.

Kommunikation. Damit ist natürlich das Gespräch mit der Partnerin gemeint, klar. Aber das reicht nicht. Insbesondere nicht, wenn ich mit ihr Stress habe. Dann brauche ich Freunde. Jemanden, den ich anrufen kann. Der zuhört, nicht gleich Lösungen vorschlägt und damit wieder Druck ausübt. Wer ist das für Sie? Wer kann Sie unterstützen, wieder zu sich zu kommen? Ein Kollege, ein Verwandter, ein alter Freund aus Schultagen?

Natur. Einfach am Wasser sitzen, dem Rauschen zuhören. Oder auf dem Berg dem Wind lauschen. Die Stille hören. Wann haben Sie das zuletzt gemacht? Und – wer hat Ihnen das beigebracht? Gibt es da positive Erinnerungen an Ihren Vater oder Ihren Großvater? Denn diese guten Erinnerungen tragen uns durchs Leben. Und sie werden weitergegeben, begründen eine positive Tradition. Wäre das nicht toll, wenn Ihr Sohn eines Tages sagen würde: Mein Papa hat mit beigebracht, der Stille zu lauschen?

Ralf Ruhl

Rat und Hilfe

Männerberatung der AWO im Werra-Meißner-Kreis:

001515/8805203

Männer-Webseite der Landesvereinigung Gesundheit Niedersachsen:

https://www.mann-was-geht.de/

Bundesweites Hilfetelefon Gewalt an Männern:

maennerhilfetelefon.de

0800/1239900

Täterberatung Häusliche Gewalt:

https://www.youtube.com/channel/UCm-4kpU3shwbfhFsiWZVSWA

Weitere Informationen

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Gleichstellungspolitik für Jungen und Männer in Deutschland. Berlin 2020, kostenlos zu beziehen über www.bmfsfj.de

Robert Koch-Institut: Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Berlin, 2014, www.rki.de

Kontakt

Team Beratungsstelle

An den Anlagen 8
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